Seit vielen Jahren wird über Barrierefreiheit im Tourismus als Komfort „für Alle“ gesprochen – und trotzdem wird das Thema immer noch so behandelt, als beträfe es nur eine Minderheit. Dabei birgt das Thema so viel Potenzial …
Für wen machen wir unsere touristischen Angebote barrierefrei?
Primär geht es beim Stichwort „Barrierefreiheit im Tourismus“ um Menschen mit Behinderung. Menschen im Rollstuhl, blinde und sehbehinderte Menschen, gehörlose und schwerhörige Menschen, Menschen mit Lernbehinderung. Aber bereits wenn wir an ältere Menschen denken fällt auf, dass wir sie gar nicht unbedingt vollkommen separat von diesen Personengruppen betrachten können. Viele ältere Menschen sind schwerhörig, nicht mehr mobil, sehen schlecht, … Geht es nicht also auch um sie? Wenn ja, dann wäre die Anzahl der Menschen, für die wir Angebote barrierefrei gestalten, um ein Vielfaches höher als es der erste Blick vermuten lässt. Und an Eltern mit Kinderwagen, kleinwüchsige oder übergewichtige Menschen haben wir jetzt noch gar nicht gedacht…
Wer Barrierefreiheit braucht – und wer davon profitiert
Wir können differenzieren zwischen Menschen, die Barrierefreiheit brauchen, um überhaupt am Leben und am Reisen teilhaben zu können, und Menschen, die Barrierefreiheit schätzen, weil sie dadurch komfortabler leben und reisen können. Wenn wir nun aber beginnen zu überlegen, wer zu welcher Gruppe gehört, merken wir nicht nur, dass uns viele dieser Personen sehr vertraut sind, sondern vielleicht sogar, dass wir selbst auch dabei sind. Wer freut sich denn nicht über einen Aufzug im Hotel, so dass er seinen Koffer nicht die Treppe hochtragen muss? Wer ist nicht schon einmal über eine Stufe gestolpert, die schlecht beleuchtet und nicht kontrastreich markiert war? Und wer war noch nicht unterwegs an einem unbekannten Ort und ist schier verzweifelt, weil der Weg zur nächsten Toilette einfach zu weit war?
Barrierefreiheit schafft Komfort
Es ist unumstritten: Maßnahmen, die Barrieren abbauen, schaffen automatisch einen Komfort für alle Gäste. Und diesen Komfort wissen immer mehr Gäste zu schätzen. Weil unsere Gesellschaft altert und auch unsere Stammgäste jedes Jahr ein Jahr älter werden. Weil wir unsere Mitmenschen immer mehr als Individuen sehen und zum Glück akzeptieren, dass jede und jeder eigene Ansichten und Bedürfnisse hat. Weil es in anderen Ländern bereits normal ist, dass auf jedes dieser Bedürfnisse eingegangen wird. Und weil es das Reisen einfach viel schöner macht!
Der Unterschied: „Barrierefreiheit“ vs. „Komfort“
Warum aber ist das Thema „Barrierefreiheit“ immer noch so unattraktiv, wenn wir doch eigentlich alle einen Vorteil davon haben? Das Problem ist der Begriff. Ja, wir profitieren von Barrierefreiheit, aber das wollen wir leider nicht hören – zumindest nicht in dieser Form.
Ein älterer Mensch sucht nicht nach Informationen zur „Barrierefreiheit“ – diesen Begriff verbindet er mit Behinderung und als behindert sieht er sich selbst in der Regel nicht. Die Information, dass eine Stadtführung mit Hörverstärkung stattfinden kann oder dass es Parkplätze direkt vor dem Restaurant gibt, interessiert ihn aber durchaus. Vielleicht liest er sie, wenn sie direkt in der Angebotsbeschreibung oder in einen Reiter „Komfortmerkmale“ verpackt sind, und nicht unter „Informationen zur Barrierefreiheit“?
Eine große Aufgabe für unsere Vermarktung – aber eine, die sich lohnt. Den so erreichen wir die breite Masse, um nicht zu sagen: Alle.
Die Erkenntnis: Barrierefreiheit schafft Komfort – und muss ansprechend kommuniziert werden
Komfort kann also durch Barrierefreiheit erreicht werden, wird aber am besten nicht als solche verkauft… Nein, Stopp! Es gibt sie ja dennoch, die Menschen, die Barrierefreiheit suchen, weil sie sie unbedingt brauchen. Für Menschen mit Behinderung im engeren Sinne dürfen wir unser Marketing noch nicht ganz umkrempeln – sie klicken weg, wenn sie das Stichwort „barrierefrei“ nicht irgendwo lesen…
Für mich persönlich sind diese Menschen der Antrieb meiner Arbeit. Ich kämpfe für Barrierefreiheit im engen Sinne, für die Teilhabe aller Menschen. Viele dieser Menschen kenne ich so gut, dass der Umgang mit ihnen meine Normalität ist.
Meine Kunden aber erreiche ich gerne über das Stichwort Komfort und über das Bild der Gäste in ihrem Kopf, die sie gut kennen – weil sie aktuell schon da sind, aber sich künftig mehr Komfort wünschen. Gerne begleite ich sie auf dem Weg zu mehr Komfort – Komfort durch Barrierefreiheit.