MosGiTo fragt …
… Reisende mit Behinderung nach ihren Erfahrungen, Erwartungen und Wünschen an die Reisebranche.
Michael R. und Michael K. geht es so wie zahlreichen Deutschen: Sie verstehen Texte mit langen Sätzen, Fremdwörtern und Fachbegriffen schlicht und einfach nicht. Sie setzen dagegen auf das Konzept der Leichten Sprache, die Ihnen einen Zugang zu Informationen verschafft. Beide Männer reisen unglaublich gerne, aber leider viel zu selten. Warum das so ist und was sie sich von der Tourismusbranche noch wünschen, lesen Sie in diesem Interview.
Das Interview wurde im März 2021 geführt. Es ist nicht in Leichter Sprache verfasst, sondern folgt dem Wortlaut des Gesprächs.
Fahren Sie gerne in Urlaub?
Beide: Ja!
Wohin sind Sie denn schon mal in Urlaub gefahren?
Und wie wählen Sie aus, wohin Sie fahren?
Michael R.:
Ich war schon auf Corfu, das ist in Griechenland.
In der ehemaligen DDR, also in Dresden, Glashütte.
In Holland war ich schon und in Wien…
Bei uns gibt es eine Broschüre, die heißt “Reiselust”.
Wenn ich die Broschüre bekomme, schaue ich sie mir an
und entscheide wo ich hinfahren möchte.
Ich orientiere mich dabei an den Bildern.
Wenn was schön ausschaut, dann möchte ich da hin.
Michael K.:
Ich war zum Beispiel in Hamburg, in Bayern und in Italien.
Nach Frankreich wäre ich gerne, aber das hat dann nicht geklappt.
Ich schaue auch in der Broschüre “Reiselust”.
Aber wenn ich woanders hin will, dann mache ich das auch.
Dann gehe ich zum Beispiel mit einem Betreuer ins Reisebüro.
Ich war so auch schon mal alleine in Köln.
Nach Rügen würde ich gerne mal.
Da war schon mal jemand von meiner Gruppe.
Da würde ich auch gerne hinfahren.
Was machen Sie denn gerne im Urlaub?
Erinnern Sie sich an etwas besonders Schönes im Urlaub?
Michael R.:
Naja einkaufen, zu Veranstaltungen gehen, ins Museum.
Michael K.:
Mit der Rheinbahn fahren,
eine Rundfahrt mit dem Bus machen.
Einen Weihnachtsmarkt besuchen.
Eisenbahn fahren.
Einfach mal abschalten.
In Venedig, das war richtig schön.
Weil man das schon oft auf Fotos gesehen hatte.
Und dann war ich da selbst!
Gibt es etwas, was im Urlaub schwierig für Sie ist?
Michael R.:
Da erinnere ich mich an den Urlaub auf Corfu.
Da wollte ich was kaufen in einem Geschäft.
Aber der Verkäufer hat nur englisch gesprochen.
Dann hab ich einfach das Geld auf den Tisch gelegt.
Michael K.:
Manchmal gibt es Herausforderungen im Urlaub.
Wenn ich im Hotel was ausfüllen muss.
Das ist eine Überwindung.
Aber man muss sich auch mal was trauen.
Achten Sie im Urlaub darauf, ob es etwas in Leichter Sprache gibt?*
Michael R.:
Nein, auf Leichte Sprache nicht.
Aber auf Barrierefreiheit schon.
Da achte ich sehr drauf.
Zum Beispiel ob jemand mit dem Rollstuhl rein kommt.
Das fällt mir schon auf.
Michael K.:
Eigentlich nicht.
Könnte man aber ja mal.
Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!
*Anmerkungen zu den Antworten auf diese Frage:
Es ist spannend zu sehen, dass die beiden Männer, die Mitglied einer Prüfgruppe für Leichte Sprache sind, d.h. dieses Sprachkonzept sehr gut kennen, im Urlaub dennoch nicht darauf achten. Ich schließe daraus, dass wir als Tourismusbranche noch viel mehr in Vorleistung gehen müssen – erst wenn Angebote in Leichter Sprache tatsächlich vorhanden sind, lohnt es sich für die Nutzer von Leichter Sprache danach zu fragen.
Die Anmerkung zur Barrierefreiheit – dass Herr R. darauf achtet, ob ein Rollstuhlfahrer rein kommt – rührt sicherlich daher, dass die Reisen, die Herr R. unternimmt, für Menschen mit Behinderung ausgeschrieben sind und dann eben nicht nur Leichte-Sprache-Nutzer unter sich verreisen, sondern auch Menschen mit anderen Beeinträchtigungen. Bemerkenswert ist, dass die Bedürfnisse dieser Menschen ja vollkommen unterschiedlich sind – und dennoch wird gemeinsam verreist. Könnten wir also nicht alle auch mit Menschen mit Behinderung verreisen, wenn wir gegenseitig Rücksicht aufeinander nehmen würden??