Viele von uns kennen es von Großeltern oder Eltern: Im Alter lässt bei den meisten Menschen das Gehör nach. Den Betroffenen ist es oft peinlich, ständig nachzufragen oder gar das Gegenüber darauf hinzuweisen, dass sie schlecht hören. Auch wenn es für uns als Tourismusakteure einfacher wäre, der Gast würde seine Hörschwäche offen kommunizieren – wir können dies weder verlangen noch das Problem ignorieren. Denn es wird spätestens dann zu UNSEREM Problem, wenn die Teilnehmer*innen einer Gästeführung ausbleiben oder Hotelgäste am Ende der Reise unzufrieden abreisen, weil sie nichts verstehen bzw. sich nicht verstanden fühlen.
Was sollten wir also tun, um schwerhörigen Menschen entgegenzukommen? Wir sollten die Bedürfnisse schwerhöriger Gäste genau ansehen, um unsere Produkte und unseren Service optimal darauf abstimmen.
Wie verstehen schwerhörige Menschen?
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, wie schwerhörige Menschen Informationen wahrnehmen: Das Gehör liefert Wort- und Satzfetzen. Die Lücken, die bleiben, lassen sich teilweise durch die Mimik und Gestik des Sprechenden füllen. (Manche hörbehinderte Menschen lesen auch von den Lippen ab, wobei selbst eine gute Lippenleserin oder ein guter Lippenleser maximal 30 % des Inhalts verstehen kann.) Als dritte Komponente gibt der Sinnzusammenhang eventuell noch Aufschluss darüber, was gerade gesprochen wird.
Es wird schnell deutlich: Schwerhörige vollbringen eine unglaubliche Leistung, die Aussage ihres Gegenübers aus drei verschiedenen Quellen zusammen zu puzzeln! – Wir müssen uns endgültig von der Vorstellung verabschieden, dass Taubheit oder Schwerhörigkeit mit Dummheit gleichzusetzen ist, wie es früher leider oft gemacht wurde und sich deshalb noch in der Sprache widerspiegelt. (Im Englischen ist „thumb“ ein Wort das sowohl taub als auch dumm bedeuten kann, im Deutschen kann „verstehen“ oder „nicht verstehen“ sowohl geistiges als auch akustisches Verstehen bedeuten.)
Nicht lauter sprechen als normal
Das verlässlichste Hilfsmittel, das wir schwerhörigen Gästen gegenüber einsetzen können, ist ein adäquater Umgang mit ihnen. Lauter sprechen als normal nützt allerdings wenig, denn Schreien verzerrt die Sprache und schwerhörige Menschen sind oft lärmempfindlich. Sinnvoller ist es, zunächst Blickkontakt herzustellen und zu halten (am besten bei guter Beleuchtung), langsam und deutlich zu sprechen, die gleichen (möglichst kurzen) Sätze geduldig zu wiederholen, Gesten natürlich einzusetzen, Umgebungsgeräusche zu minimieren und Themen nicht abrupt zu wechseln. Wenn Sie den schwerhörigen Gast schlecht verstehen – Schwerhörigkeit beeinträchtigt evtl. auch die Kontrolle der Aussprache – dann bitten Sie ihn freundlich um Wiederholung. Wichtige Informationen sollten Sie schriftlich geben.
Hörbehinderung ist unsichtbar
Ob Ihr Gegenüber schwerhörig ist, erkennen Sie oft nur auf den zweiten Blick. Vielleicht spricht Ihr Gast Sie darauf an, vielleicht fällt Ihnen ein Hörgerät auf – in den meisten Fällen ist allerdings gute Aufmerksamkeit im Gespräch der einzige Weg, das Problem zu erkennen. Was macht Ihr Gast, wenn Sie ihm etwas mitteilen? Lachen, nicken und hoffen, dass es keine Frage war? Das erkennen Sie mit viel Fingerspitzengefühl und können dann entsprechend reagieren.
Welche technischen Hilfsmittel gibt es?
Neben dem entsprechenden Umgang gibt es auch technische Hilfsmittel zur Erleichterung der Kommunikation zwischen guthörenden und schwerhörigen Menschen. Hörgeräte sind Hilfsmittel, die der Gast selbst mitbringt. Sie sind prinzipiell einfach zu bekommen – aber leider sehr schwer zu nutzen! Hören mit Hörgerät ist anders als über ein gesundes Ohr, zum Beispiel durch den unterschiedlichen Klang, aber auch durch fehlendes Richtungshören und Filtern von unwichtigen Geräuschen. Zudem kann ein Hörgerät nur Töne verstärken, die ansatzweise gehört werden. Haben Sie Verständnis, wenn Ihr Gast kein Hörgerät benutzt, weil er mit dieser Technik nicht vertraut wird.
Andere technische Geräte können wir als Tourismusakteure für unsere schwerhörigen Gäste bereithalten. Induktive Hörschleifen oder ähnliche Techniken unterstützen das Hörgerät beim Filtern der relevanten Geräusche (verstärkt wird z.B. nur das, was über eine Mikrofonanlage von der Bühne im Theatersaal ausgesendet wird, nicht das Husten des Sitznachbarn). Mikrofonanlagen bei Stadtführungen verstärken die Stimme des Gästeführers. Vergessen Sie aber nicht: Kein technisches Gerät ersetzt die Regeln des Umgangs, die oben erläutert wurden. Im Zusammenhang mit unseren schwerhörigen Gästen wird besonders deutlich, dass der Tourismus eine Dienstleistungsbranche ist – guter Service sollte Standard sein!
Und gehörlose Menschen?
Durch das häufige Auftreten von Schwerhörigkeit im Alter ist die Zahl der schwerhörigen Menschen um ein Vielfaches höher als die der gehörlosen Menschen. (Tatsächliche Zahlen zu ermitteln ist sehr schwierig, da die Schwerbehindertenstatistik nur die schwerste Behinderung erfasst und ältere Menschen meist nicht „nur“ schlecht hören.) Zudem erfordert der Umgang mit gehörlosen Menschen andere Maßnahmen als der mit schwerhörigen. Wenn Sie mehr über den Umgang mit Gehörlosen wissen möchten, sei Ihnen folgender Artikel empfohlen, der zwar nicht auf den Tourismus zugeschnitten, aber doch hilfreich ist: