Eine Schrift nur aus Punkten? 200 Jahre Braille-Schrift

Der Name "Louis Braille" in Braille-Schrift

Viele blinde Menschen zählen sie zu den großen Revolutionen: die Erfindung der Punkt-Schrift für blinde Menschen. Diese Erfindung jährt sich 2025 zum 200. Mal.

Der Erfinder

Der Erfinder und Namensgeber der Schrift, Louis Braille, war intelligent und wissbegierig. Nach seiner Erblindung durch einen Unfall in der Werkstatt seines Vaters wollte er sich nicht damit abfinden, dass er keinen Zugang zu schriftlichen Informationen hatte. Er tüftelte und fand schließlich eine Lösung, wie man tastbare Buchstaben auf relativ wenig Platz unterkriegen konnte - so dass nicht nur Hinweisschilder, sondern ganze Bücher in dieser Schrift gedruckt werden konnten. Für blinde Menschen eine Revolution - und mittlerweile immaterielles Welt-Kulturerbe.

Das Geniale an der Schrift

Braille-Schrift ist nicht nur platzsparend, sondern extrem systematisch und damit leicht lernbar. Das Grundraster besteht aus 6 Punkten, die tastbar gemacht werden. Hierfür werden sie entweder von hinten durch das Blatt gestochen oder von vorne als Lack aufgeträuftelt. Die unterschiedlichen Punkt-Kombinationen ergeben die unterschiedlichen Buchstaben. (Nach diesem Prinzip ist oben unter der Überschrift übrigens "Louis Braille" in Punktschrift geschrieben.)

Neben Buchstaben können nach dem gleichen Prinzip Zahlen, mathematische, physikalische und chemische Formeln und sogar Musiknoten gedruckt werden. Alles schon vom gleichen Erfinder mitgedacht - und einfach genial!

Das 6-Punkte-Prinzip der Braille-Schrift wird übrigens weltweit eingesetzt, wenn es um Schrift für blinde Menschen geht - auch in Kulturen, die nicht unser Buchstaben-System verwenden wie z.B. China oder Arabien.

Kritik: Ist Braille-Schrift noch zeitgemäß?

Natürlich haben blinde Menschen im digitalen Zeitalter auch andere Wege, um an Informationen zu kommen. Außerdem erblinden viele von ihnen erst im Laufe ihres Lebens - sie haben die Braille-Schrift nicht wie geburtsblinde Menschen in der Schule gelernt. Trotzdem muss man bedenken: Es ist nach wie vor der einzige Weg, Informationen eigenständig zu lesen. Und wer am PC mit Braille arbeitet, ist oft schneller als mit dem Screenreader.

Dass Braille-Schrift - entgegen vieler Prophezeihungen - aktuell definitiv nicht ausgestorben ist, zeigt der hohe Andrang nach Kursen zum Erlernen der Schrift. Die "Freunde des barrierefreien Lesens" bieten übrigens auch Schnupperkurse für sehende Menschen an. Lassen Sie sich doch auch mal faszinieren, wie man nur mit den Händen lesen kann!

Hier geht's zu den Kursen für sehende Menschen

Empfehlungen für die Tourismusbranche

Tatsächlich würde ich niemandem im Tourismus mehr empfehlen, ganze Kataloge oder Broschüren in Braille drucken zu lassen. Dennoch gibt es viele gute Praxisbeispiele, wo Braille-Schrift Sinn macht. Schreiben Sie die Braille-Schrift also nicht ab! Setzen Sie sie dort ein, wo blinde Menschen noch einen echten Vorteil davon haben.

Zum Beispiel:

  • auf Schildern und Plänen, die zur Orientierung dienen. Blinde Menschen kennen zwar in der Regel auch die Form "unserer" Buchstaben, lesen Braille aber meist schneller. Wer am Bahnhof flott zum Zug will und sich mal eben vergewissern möchte, dass er an der Treppe zum richtigen Gleis steht, greift zum Handlauf und freut sich über die Beschilderung "Zu Gleis 2" in Braille.
  • auf Türschildern, z.B. die Zimmernummern im Hotel. Da blinde Menschen nicht jede Tür von oben bis unten abtasten in der Hoffnung, ein taktiles Schild zu entdecken, macht es Sinn, die Beschilderung zum Beispiel am Türgriff anzubringen, wo man ja ohnehin hinfasst.
  • auf der Titelseite von Broschüren, oder auf Postkarten, die auf eine Broschüre oder auf spezielle Infos für blinde Gäste online hinweisen soll. Hier reicht der Titel der Broschüre bzw. eine kurze Beschreibung, um welche Infos es geht, und dann der Link oder ein QR-Code.
  • im Restaurant - entweder in Form einer komplett in Braille gedruckten Speisekarte oder als Beschriftung neben dem QR-Code, der zur digitalen (barrierefreien!) Speisekarte führt.
  • auf Visitenkarten. Die überreichen Sie ja physisch, nicht digital. Klar kann der blinde Geschäftspartner sie scannen, aber das ist ein Umweg - und welche von den 20 gesammelten Visitenkarten war jetzt Ihre?

Gleichzeitig sollten Sie auch diejenigen blinden - und auch die sehbehinderten! - Menschen berücksichtigen, die Braille nicht lesen können. Für sie macht evtl. eine tastbare Pyramidenschrift Sinn oder Audio-Dateien, die je nach Situation und Medium über einen QR-Code abgerufen werden können.

Zurück zu Braille

Leider hat Louis Braille von diesem Erfolg wenig mitbekommen. Zunächst vertuschte sein Vorgesetzter die geniale Erfindung, dann starb Braille früh. Das französische Volk aber ehrte in posthum mit einem Platz in der Ruhmeshalle der Franzosen, dem Panthéon in Paris. In seinem Heimatort Coupvray ist er zudem ein Held! Auf mehreren Reisen, die ich als Reiseleiterin für den Veranstalter "tour de sens" dorthin machen durfte, konnte ich den Stolz des Ortes auf seinen berühmtesten Sohn spüren. Es gibt dort auch immer noch sein Grab - obwohl Brailles sterbliche Überreste ins Panthéon überführt wurden. Einen Teil von ihm hat man nämlich in Coupvray behalten: die "Hände des genialen Erfinders" (so steht es auf dem Grabstein), die für seine Erfindung ja so wichtig waren.

Jubiläumsjahr 2025

Im Jubiläumsjahr finden zahlreiche Veranstaltungen statt. Halten Sie die Augen offen!

Der Veranstaltungskalender des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes (DBSV) ist jedenfalls voll: https://www.dbsv.org/brailleschrift-blindenschrift.html